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Autoimmunerkrankungen: Wenn der Körper sich selbst angreift

Autoimmunerkrankungen betreffen weltweit Millionen Menschen und können in jedem Alter auftreten. Einige von uns sind vielleicht selbst davon betroffen oder kennen Erkrankte. Denn Autoimmunkrankheiten sind weit verbreitet und gehören zu den häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland. Aber was sind Autoimmunerkrankungen eigentlich genau? Welche gibt es, was steckt dahinter – und was hat das alles mit dem Immunsystem zu tun? Hier werfen wir einen Blick auf die unterschiedlichen Erkrankungen, Ursachen, Symptome und den Umgang mit Autoimmunerkrankungen.


Was sind Autoimmunerkrankungen?

Generell lässt sich sagen: Autoimmunerkrankungen sind eine Gruppe von Störungen, bei denen das Immunsystem fälschlicherweise körpereigenes Gewebe und seine Zellen angreift. Es gibt verschiedene Autoimmunerkrankungen, die je nach Art der Krankheit, jegliches Gewebe und sämtliche Organe angreifen können. Manche betreffen nur eines, zum Beispiel die Schilddrüse, Pankreas, Darm, Haut oder Nerven, manche sind aber auch systemisch und greifen mehrere Organe an. [1]

Normalerweise schützt uns das Immunsystem vor schädlichen Eindringlingen wie Bakterien oder Viren. Doch bei einer Autoimmunerkrankung gerät das Immunsystem außer Kontrolle und richtet sich gegen den eigenen Körper. Es erkennt den Unterschied zwischen fremden und körpereigenen Strukturen nicht und greift deshalb gesunde Zellen und Organe an. Das kann chronische Entzündungen und Gewebeschäden auslösen. Diese Angriffe können zudem eine Vielzahl von Symptomen hervorrufen, die oft unspezifisch und schwer zu diagnostizieren sind. Autoimmunerkrankungen sind jedoch nicht zu verwechseln mit Allergien. Bei Allergien reagiert das Immunsystem übermäßig auf tatsächlich vorhandene äußere Reize, Autoimmunreaktionen hingegen erfolgen fälschlicherweise gegen körpereigenes Gewebe.

Die Ursache dieser fehlgeleiteten Immunreaktion ist noch nicht vollständig geklärt, aber eine multifaktorielle Kombination aus genetischen und hormonellen Faktoren, Umweltfaktoren, physischem bzw. psychischem Stress sowie möglicherweise auch Fehlern in der Immunregulation spielen eine Rolle. Warum Autoimmunerkrankungen häufiger bei Frauen als bei Männern auftreten ist ebenfalls noch nicht hinreichend erforscht, es könnte mit dem Hormonhaushalt zusammenhängen. [2, 3, 4]


Welche Krankheiten zählen zu den Autoimmunerkrankungen?

Autoimmunerkrankungen haben ein vielfältiges Krankheitsbild, denen eines gemeinsam ist: Das Immunsystem entwickelt eine Abwehrreaktion gegen körpereigene Antigene. Es gibt über 80 verschiedene Autoimmunkrankheiten, bei denen sich das Immunsystem gegen körpereigene Strukturen wendet. Wir haben in einer Liste einige häufige Autoimmunerkrankungen auf einen Blick zusammengestellt:

Organspezifische Autoimmunerkrankungen:

Typ-1-Diabetes: Bei Diabetes Typ 1 zerstört das Immunsystem die insulinproduzierenden Zellen in der Bauchspeicheldrüse.

Multiple Sklerose (MS): Eine chronisch-entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems, die Gehirn und Rückenmark betrifft.

Morbus Crohn: Eine chronische Darmentzündung, die den gesamten Verdauungstrakt betrifft.

Colitis ulcerosa: Eine chronische Entzündung der Schleimhaut des Dickdarms bei der Geschwüre entstehen können.

Hashimoto-Thyreoiditis: Eine Schilddrüsenerkrankung, bei der das Immunsystem das Schilddrüsengewebe angreift.

Morbus Basedow: Auch hier ist die Schilddrüse betroffen, was zu einer Überfunktion führt (Hyperthyreose).


Systemische Autoimmunerkrankungen:

Rheumatoide Arthritis (RA): Bei rheumatoider Arthritis sind die Gelenke betroffen bzw. dauerhaft entzündet, sie wird daher auch chronische Polyarthritis genannt.

Lupus erythematodes (SLE): SLE wird als systemischer Lupus bezeichnet und ist eine Erkrankung, die Haut, Gelenke und innere Organe betreffen kann.

Polymyositis: Hier sind vor allem die Muskeln betroffen, was zu Muskelschwäche und -entzündungen führt. Die Erkrankung kann auch die Lunge, das Herz und den Verdauungstrakt betreffen.

Weniger häufige bzw. seltene Erkrankungen, die körpereigene Zellen angreifen, sind das Guillain-Barré-Syndrom (betrifft die peripheren Nerven), das Goodpasture-Syndrom (hier sind Lunge und Nieren betroffen), Morbus Addison (die Nebennieren werden angegriffen), das Sjögren-Syndrom (das die Tränen- und Speicheldrüsen in Mitleidenschaft zieht) oder Myasthenia gravis (die Kommunikation zwischen Nerven und Muskeln ist gestört). [3, 5, 6, 7, 8]


Was sind die Symptome einer Autoimmunkrankheit?

Die Symptome variieren stark, abhängig von der betroffenen Erkrankung und den angegriffenen Organen. Sie sind oft unspezifisch und schwer zu erkennen. Dennoch gibt es einige allgemeine Anzeichen, die zu den häufigen Symptomen gehören:

  • Chronische Müdigkeit (bessert sich trotz ausreichend Schlaf nicht)
  • Gelenkschmerzen und Schwellungen (z. B. steife Gelenke)
  • Hautveränderungen (z. B. Ausschläge, Entzündungen)
  • Wiederkehrendes Fieber
  • Verdauungsprobleme (z. B. häufiger Durchfall oder Blut im Stuhl)
  • Muskelschwäche
  • Hormonstörungen (z. B. bei Hashimoto)
  • Gewichtsveränderungen 
  • Haarausfall

Da viele dieser Symptome auch bei anderen Krankheiten auftreten, ist die Diagnose oft schwierig und erfordert umfassende Untersuchungen. Wenn mehrere dieser Symptome vorliegen und keine offensichtliche Ursache erkennbar ist, könnte dies ein Hinweis auf eine Autoimmunerkrankung sein und sollte von einer Ärztin oder einem Arzt abgeklärt werden. [1, 5]


Wie werden Autoimmunerkrankungen diagnostiziert?

Die Diagnose einer Autoimmunerkrankung kann herausfordernd sein, da die Symptome oft breit gefächert, wenig spezifisch und sehr variabel sind. Um eine genaue Diagnose zu stellen, müssen zunächst andere mögliche Ursachen ausgeschlossen werden. Ein zentraler Bestandteil der Diagnostik ist die Suche nach spezifischen Autoantikörpern im Blut, da diese oft mit den entzündlichen Prozessen der Erkrankung in Verbindung stehen.

Jedoch ist die Diagnose nicht allein durch diese Laborergebnisse zu stellen. Auch bei gesunden Menschen können erhöhte Autoantikörperwerte auftreten und nicht alle Autoimmunerkrankungen zeigen diese Marker im Blut. Daher wird die Interpretation der Laborwerte in Kombination mit den klinischen Symptomen durchgeführt, um ein umfassendes Bild zu erhalten. Weitere diagnostische Hilfsmittel umfassen bildgebende Verfahren wie Ultraschall, CT (Computertomografie) oder MRT (Magnetresonanztomographie), die dabei helfen können, die betroffenen Organe zu visualisieren und Veränderungen festzustellen. In einigen Fällen kann auch eine Biopsie notwendig sein, um die Diagnose zu verifizieren und die Art der Autoimmunreaktion genauer zu bestimmen. [1, 9]


Wie lange kann man mit einer Autoimmunerkrankung leben?

Die meisten Autoimmunerkrankungen begleiten die Betroffenen ein Leben lang. Patientinnen und Patienten mit einer Diagnose aus dem Kreis dieser Erkrankungen beschäftigt daher vor allem eine Frage: Wie ist die Lebenserwartung mit der Krankheit? Diese hängt immer von der Art der Autoimmunerkrankung und deren Schweregrad ab. Viele Beschwerden lassen sich jedoch behandeln und Betroffene haben in der Regel eine relativ uneingeschränkte Lebenserwartung und eine weitgehend gute Lebensqualität. Unbehandelt können einige Autoimmunerkrankungen jedoch tödlich enden. Daher ist es wichtig, sie früh zu erkennen und mit modernen Therapien richtig zu behandeln. Auch bei Erkrankungen wie Lupus oder Multiple Sklerose gibt es Fortschritte, die die Lebensqualität deutlich verbessern. Wichtig ist, dass Betroffene eng mit ihren Ärztinnen und Ärzten zusammenarbeiten und regelmäßig untersucht werden. [9, 10]


Was sind die Ursachen für eine Autoimmunerkrankung?

Die genaue Ursache von Autoimmunerkrankungen ist (noch) nicht vollständig verstanden, aber Forschende vermuten, dass eine Kombination aus genetischen und umweltbedingten Faktoren eine Rolle spielt:

Genetische Prädisposition: Menschen mit einer familiären Vorgeschichte von Autoimmunerkrankungen haben ein höheres Risiko, selbst daran zu erkranken.

Umweltfaktoren: Infektionen, jede Art von Stress, hormonelle Veränderungen (zum Beispiel eine Schwangerschaft) und Umweltgifte könnten das Risiko erhöhen, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln.

Geschlecht: Frauen sind häufiger betroffen als Männer, vermutlich aufgrund hormoneller Einflüsse.

Lebensstil: Rauchen, mangelnde Hygiene, eine ungesunde Ernährung und zu wenig Bewegung können ebenfalls Risikofaktoren sein.

Die meisten dieser Faktoren können wir kaum beeinflussen – außer einige Umweltfaktoren und unseren Lebensstil. So gibt es einige Möglichkeiten, das Immunsystem generell zu stärken und den Körper vor schädlichen Umwelteinflüssen zu schützen.

 

Die folgenden 10 Tipps können hilfreich sein:

  1. Nehmen Sie auftretende Beschwerden und Infektionen ernst und lassen Sie sich untersuchen und behandeln.
  2. Vermeiden Sie bedenkliche Chemikalien.
  3. Schützen Sie Ihre Darmflora mit einer ausgewogenen, gesunden Ernährung und nehmen Sie ausreichend Flüssigkeit zu sich (am besten ungesüßte Getränke, ca. 2 Liter am Tag).
  4. Setzen Sie sich keinem Stress aus – auch physischem wie zum Beispiel Überanstrengung.
  5. Schlafen Sie gut und ausreichend.
  6. Sorgen Sie für genügend Bewegung und sportliche Betätigung in Ihrem Leben (mindestens 3 Mal 30 Minuten pro Woche).
  7. Verzichten Sie möglichst auf Alkohol und Zigaretten.
  8. Halten Sie ein gesundes Körpergewicht.
  9. Achten Sie auf Ihren Vitamin D-Wert, vor allem im Winter.
  10. Waschen Sie sich regelmäßig die Hände, um Infektionen zu vermeiden.

[1, 5, 6, 7]


Welche Behandlung bringt den Körper wieder ins Gleichgewicht?

Die Behandlung von Autoimmunerkrankungen zielt darauf ab, das Immunsystem zu regulieren und Entzündungen zu verringern. Die Wahl der Therapie hängt dabei immer von der spezifischen Erkrankung und dem individuellen Krankheitsverlauf ab. Zu den häufig eingesetzten Therapien gehören Immunsuppressiva, mit denen das überaktive Immunsystem gebremst werden soll, Entzündungshemmer, die Schmerzen und Entzündungen reduzieren können, Physiotherapie, um die Mobilität z. B. bei Gelenkerkrankungen zu unterstützen, eine generelle Umstellung der Ernährung, die Symptome z. B. bei Morbus Crohn oder Rheumatoider Arthritis lindern kann, sowie ein optimales Stressmanagement. Bei Hauterkrankungen können auch Lichttherapien zu Verbesserungen führen.

Eine wichtige Rolle bei Therapien im Spektrum der Autoimmunerkrankungen spielt ebenfalls die Substitutionsbehandlung: Wenn der Körper aufgrund einer eingeschränkten Organfunktion nicht ausreichend Hormone produziert, werden diese durch Tabletten oder Injektionen ersetzt. Beispielsweise nehmen Personen mit Hashimoto-Thyreoiditis Schilddrüsenhormone ein, während Menschen mit Typ-1-Diabetes Insulin spritzen.

Zusätzlich kann psychologische Unterstützung helfen. Diese ist bei chronischen Schmerzen und psychischen Belastungen, die durch Autoimmunerkrankungen verursacht werden, nicht zu unterschätzen. Eine Verhaltenstherapie kann helfen, besser mit der Krankheit umzugehen und das Leben leichter zu bewältigen. [1, 7, 9, 11]


Mit Wissen und Aufmerksamkeit zu besserer Lebensqualität

Autoimmunerkrankungen stellen für viele Betroffene eine Herausforderung dar. Doch dank der Fortschritte in der Medizin können Autoimmunerkrankungen heute effektiver behandelt und gemanagt werden als je zuvor. Auch wenn Heilung noch nicht möglich ist, können gezielte Therapien und eine proaktive Herangehensweise an die eigene Gesundheit das Leben Betroffener erheblich verbessern.

Eine Sensibilisierung für die Symptome und ein frühzeitiges Handeln sind entscheidend, um die Auswirkungen dieser Erkrankungen zu minimieren. Indem wir auf uns selbst achten und eng mit unseren Ärztinnen und Ärzten zusammenarbeiten, können wir den Herausforderungen von Autoimmunerkrankungen begegnen und die Lebensqualität nachhaltig steigern. Nehmen Sie Ihre Gesundheit ernst und bleiben Sie informiert. So sind Sie auf dem besten Weg zu einem erfüllten Leben – auch mit der Herausforderungen einer Autoimmunerkrankung.


Quellen:
[1] https://www.netdoktor.de/krankheiten/autoimmunerkrankung/
[2] https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/18190880/
[3] https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1111/joim.12395
[4] https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/daz-az/2007/daz-14-2007/allergien-und-autoimmunerkrankungen
[5] https://www.msd-gesundheit.ch/de/immunologie/Definition-und-h%C3%A4ufigste-Formen
[6] https://www.imd-berlin.de/spezielle-kompetenzen/autoimmunshyerkrankungen

[7] https://www.autoimmun.org/erkrankungen
[8] https://flexikon.doccheck.com/de/Autoimmunerkrankung
[9] https://www.onmeda.de/krankheiten/autoimmunerkrankungen-id203223/
[10] https://www.wissenschaft.de/bedeuten-seltene-autoimmunerkrankungen-eine-kurze-lebenserwartung/
[11] Autoimmunerkrankungen Therapieoptionen

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